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Anreise/Anfahrt

Stolperstein "Wilhelm Stern"

Geboren am 27.01.1892

Vita

"Wilhelm wurde 1892 als zweitältestes Kind von Ottilie und Sally Stern in Steele geboren. Sein Großvater Levy hatte bereits 1851 einen Handwerksbetrieb (Klempnerei, Installation) bzw. ein Haushaltwarengeschäft an der Bochumer Straße (damals Berliner Straße) ganz in der Nähe des Grendplatzes und damit in bester Lage gegründet. Wilhelms Vater Sally übernahm und vergrößerte das Unternehmen, das bis zu seiner Auflösung in der NS-Zeit zu den renommiertesten in Steele zählte.

Wilhelm (Willi) Stern absolvierte in Köln ein Studium als Ingenieur. Danach wurde er in das kaiserliche Heer eingezogen und wurde Offizier, eine Seltenheit für Juden in der damaligen Zeit. Während seiner Dienstzeit brach der Erste Weltkrieg aus. Im Jahre 1921 stieg Wilhelm in das elterliche Geschäft als Teilhaber ein. Am 5. Februar 1933 heiratete er Frau Gertrud (Gerta) Fultheim aus Altenkirchen (Westerwald), wenige Tage nach der NS-Machtübernahme. Ein Bruder von Gerta, der emigrieren konnte, erinnerte sich später: „Das beliebte Thema in den Gesprächen an der Hochzeit war der neue Kanzler mit dem lächerlichen Schnurrbart. Niemand fand die Situation ernst.“ 1934 wurde Sohn Kurt und 1939 Tochter Judis geboren.

Nach Beginn der NS-Diktatur änderte sich die Situation sehr schnell. Es mussten deutliche Umsatzrückgänge hingenommen werden, weil der Boykott am 1. April 1933 viele alte Stammkunden vom weiteren Kauf abhielt. Außerdem litt das florierende Geschäft unter Nachteilen bei der Warenbeschaffung. 1937 mussten die Sterns ihr renommiertes Geschäft „Porzellan-Stern“ aufgeben. Der neue Besitzer übernahm den Warenbestand der alten Firma.

Am 10. November 1938 wurde Wilhelm Stern um 13 Uhr verhaftet und in das Polizeigefängnis Essen eingeliefert. Es handelte sich hierbei um eine anlässlich des Novemberpogroms reichsweit durchgeführte Verhaftungs- und Erpressungsaktion, bei der allein in Steele 23 Männer festgenommen wurden. Aus dem Verhörprotokoll geht hervor, dass Wilhelm Stern im Ersten Weltkrieg für „hervorragende Tapferkeit“ das „Ehrenkreuz für Frontkämpfer und das E.K.II“ erhalten hatte. Diese Verdienste für das Vaterland halfen ihm indes nicht. Am 16. November 1938 wurde Wilhelm Stern in das KZ Dachau verbracht. Seine Frau Gertrud setzte alle Hebel in Bewegung, um ihren Mann aus der Gefangenschaft zu befreien. Mit Hinweis auf „Verkaufsverhandlungen und Auswanderungsvor-bereitungen“ gelang dies. Am 9. Dezember 1938 wurde Wilhelm Stern entlassen. Eine Zeitzeugin, die damals als Mieterin im Hause der Sterns wohnte, erinnerte sich, dass Wilhelm Stern kahl geschoren war und kein Wort über die Haft erzählte. Ein (verstecktes, weil durch Zensur überwachtes) Schlaglicht wirft ein Brief, den Wilhelm an einen nach Palästina emigrierten Neffen im Januar 1939 schrieb: „Mein lieber Hans, wenn du solange auf unsere Nachricht bzw. den Dank für deine vorjährigen Zeilen warten musstest, so trifft mich, als den für 1 Monat abwesend gewesenen, wohl keine Schuld. Gleichzeitig muss ich aber auch Tante Gerta entschuldigen, die durch mich ebenso viel Lauferei hatte, wie ich sie heute mit den Vorbereitungen für unsere Auswanderung habe. […] Du, l. Hans, erkundigst dich nun besonders nach meinem Befinden. Es ist mir alles ganz gut bekommen, doch verzichte ich gerne auf Wiederholung.“

Im gleichen Jahre musste Wilhelm Stern das seit vielen Jahrzehnten im Familienbesitz befindliche Grundstück an der Bochumer Str. 6 unter Zwang an die Stadt Essen verkaufen. Parallel dazu wurde die horrend hohe ""Judenvermögensabgabe"", die anlässlich des Novemberpogroms von den Nazis eingeführt wurde, fällig. Auch aufgrund des nun fehlenden finanziellen Spielraums konnte die Auswanderung in den folgenden Monaten und Jahren nicht mehr verwirklicht werden. Nun wurden die Bedingungen noch schwieriger, zumal die Schwiegereltern Max und Mathilde Fultheim im August 1938 aus dem Westerwald nach Steele gezogen waren. Im Dezember 1939 wurde die Tochter Judis geboren. Vater Sally Stern war mittlerweile 80 Jahre alt war. Er starb im Dezember 1940.

Am 24. Oktober 1941 schrieb die Außenstelle der Gestapo in Essen an die Staatspolizeileitstelle Düsseldorf, dass „gegen die Ausstellung eines politischen Führungszeugnisses für das Generalkonsulat Uruguay in Hamburg […] keine Bedenken“ bestünden. Aber auch diesem letzten Versuch wurde von den vorgesetzten NS-Behörden ein Riegel vorgeschoben. Am Tag zuvor hatte das Reichssicherheitshauptamt festgelegt, dass „die Auswanderung von Juden aus Deutschland […] ausnahmslos für die Dauer des Krieges verboten“ war. Die Familie Stern hatte den Wettlauf um die Ausreise und damit um ihr Leben verloren.

Die Schwiegereltern Max und Mathilde Fultheim wurden am 27. Oktober 1941 nach Lodz deportiert. Vierzehn Tage später, am 10. November 1941, wurden auch Wilhelm und Gertrud Stern sowie der siebenjährige Kurt und die fast zweijährige Judis mit einem Deportationszug nach Minsk verschleppt und dort ermordet.

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Literatur

Ingrid Niemann, Ludger Hülskemper-Niemann: Stolpersteine in Steele, Hrg. Steeler Archiv e.V., Essen 2015

Grund der Verfolgung

Grund der Verfolgung: Jude
Deportiert am: 10.11.1941
Deportiert nach: Minsk

Stolperstein