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Anreise/Anfahrt

Stolperstein "Paula Neumark geb. Jakoby"

Geboren am 19.02.1894

Vita

"Paula Jacoby kam 1894 in Essen-Altendorf als siebtes von insgesamt neun Kindern in einer Arbeiterfamilie zur Welt. Mit ihrem Mann Kurt Neumark wohnte sie vorübergehend in Sachsen (Dresden, Annaberg) und hatte mit ihm drei Kinder: Ruth (1915), Edith (1919) und Hans (1922). Mitte der zwanziger Jahre zog die Familie nach Steele. Zwar war Paula keine gelernte Modistin. Aber sie war eine selbstständige Frau, die im Jahre 1928 zunächst in der Kaiser-Wilhelm-Straße, dann an der Bochumer Straße ein „Peka“ Putzmachergeschäft eröffnete und dieses bis zur Schließung in der NS-Zeit erfolgreich führte. Da beide Eltern arbeiteten, hatten sie über einige Jahre hinweg ein Kindermädchen und ein „Mädchen für den Haushalt“.

Nach 1933 ging das Geschäft nicht mehr so gut. Die jüngere Tochter Edith erinnert sich an die Boykottaktion am 1. April 1933: „Als ich an diesem Tag zu Hause ankam, (unser Hutgeschäft war unten und wir wohnten oben) gingen SA-Männer vor dem Laden auf und ab. Sie trugen ein Schild mit der Aufschrift: DIESER LADEN GEHÖRT JUDEN. [...] Sie sagten mir, dass ich nicht durch könne. Ich erwiderte, dass ich hier wohne.“ In den folgenden Jahren musste Paula Neumark erleben, dass ihren Kindern die beruflichen Perspektiven immer mehr verschlossen wurden. Die älteste Tochter Ruth (später Tennenhaus) konnte noch 1934 das Abitur machen, wollte Lehrerin werden, durfte aber nur noch das jüdische Lehrerseminar besuchen und danach bis zu ihrer Emigration 1939 an jüdischen Schulen unterrichten. Die jüngere Tochter Edith (später Tenn) ging zunüchst in die jüdische Volksschule in Steele, dann in Essen. Sie begann eine Lehre bei einem jüdischen Hutmacher in Essen, wechselte danach in das mütterliche Geschäft (die Mutter hatte mittlerweile eine nicht-jüdische Meisterin eingestellt). Nach dem Novemberpogrom floh Edith in die USA. Der zum Zeitpunkt der NS-Machtübernahme erst 10-jährige Sohn Hans wollte 1933 eine ""höhere"" Schule besuchen. Aus der Wiedergutmachungsakte erfahren wir, warum das nicht mehr möglich war: „Damals zeichneten sich aber bereits die durch den Staat unterstützten antisemitischen Umtriebe ab, so dass man dieses jüdische Kind nicht in eine nichtjüdische Schule schicken wollte und konnte, um ihm unbestrafte Anpöbeleien der Mitschüler zu ersparen. Er blieb deshalb in der jüdischen Volksschule in Essen-Steele, bis diese von Staatswegen geschlossen wurde.“ Danach ging er bis zur achten Klasse in die jüdische Volksschule in Essen. Im letzten Schuljahr wechselte er auf die jüdische Gartenbauschule in Hannover-Ahlem, wo er sich auf die Auswanderung nach Palästina vorbereitete.

Die Tochter Edith schilderte die Ereignisse während des Novemberpogroms im Hause der Eltern: „Am 9. November 1938 war ich mit meinen Eltern zu Hause. Wir hörten draußen großen Lärm. Die Nazis zerschlugen die Fenster unseres Ladens und die der anderen Juden im Stadtteil. Sie warfen Waren auf die Straße. Sie kamen und hämmerten an die Tür unserer Wohnung im zweiten Stock und nahmen meinen Vater mit. [...] Später kamen sie zurück und richteten in unserer Wohnung ein heilloses Durcheinander an – die Möbel unseres Wohn- und Esszimmers wurden durch den Raum geschleudert und das Buffet wurde auf den Tisch gestürzt. Meine Mutter und ich wussten nicht, was wir machen sollten. Wir sahen durch das Fenster ein großes Feuer in Richtung unserer Synagoge. Die Nazis hatten Kanister mit Benzin in die Synagoge gerollt und diese in Brand gesetzt. Alles wurde verbrannt, einschließlich der Gebetsriemen meines Vaters und aller Bücher mit Gebeten, die in den Sitzen aufgehoben waren. [...] Meine Mutter war sicher, dass sie, wenn sie mit der Polizei reden würde, meinen Vater freilassen würden. Er war schließlich über vier Jahre im Ersten Weltkrieg gewesen und hatte für Deutschland gekämpft. Sie nahm alle seine Orden einschließlich des Eisernen Kreuzes, um sie ihnen zu zeigen. Als wir dorthin kamen, lachten sie uns aus und erzählten uns, dass sie nicht wüssten, wo sie den Mann hingebracht hätten. [...] Etwa Mitte Dezember 1938 kam mein Vater ohne Vorankündigung nach Hause zurück. Er war in Dachau gewesen, aber er wollte uns nicht erzählen, was passiert war.“

Im folgenden Jahr verließen die drei Kinder alle fluchtartig Deutschland. Sicherlich hatten sie die Hoffnung, die in Steele zurückbleibenden Eltern nachzuholen. Die Passfotos von Pauline und Kurt aus dem Jahre 1939 deuten jedenfalls daraufhin. Diese Pläne zerschlugen sich spätestens mit Kriegsbeginn. Das Ehepaar musste in ein „Judenhaus“ nach Essen ziehen. Am 22. April 1942 wurde Paula Neumark gemeinsam mit ihrem Mann nach Izbica deportiert und ermordet.

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Literatur

Ingrid Niemann, Ludger Hülskemper-Niemann: Stolpersteine in Steele, Hrg. Steeler Archiv e.V., Essen 2015

Grund der Verfolgung

Grund der Verfolgung: Jüdin
Deportiert am: 22.04.1942
Deportiert nach: Izbica

Stolperstein