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Schwarzweiß-Foto: Luisenschule um 1910

Luisenschule um 1910

Foto einer Skulptur: Jünglinge im Eingangsbereich der Luisenschule

Luisenschule Eingang mit den Jünglingen

Luftbild Luisenschule 2012

Luisenschule Luftbild 2012

125 Jahre Luisenschule (1994)

(Text von Hans Schippmann, 1. Vorsitzender des Historischen Vereins für Stadt und Stift Essen e.V.)

Als die Schule mit dem Schuljahr 1868/69 startete, waren keine besonderen Lehrpläne für Mädchen vorgegeben. Das Provinzialschulkollegium in Koblenz (Hauptstadt der preußischen Provinz Rheinland) beauftragte den damaligen Schulleiter, mit seinen Kollegen Lehrpläne zu entwickeln, allerdings solche, die mit der Aufnahmekapazität der Mädchen übereinstimmten. Im ersten Jahresbericht meldete der Schulleiter „untertänigst“, dass es gelungen sei, die Mädchen nicht mit hochgeistigen Unterrichtsstufen zu quälen: man habe bewusst auf Latein als Unterrichtsfach verzichtet und sich ansonsten daran ausgerichtet, dass die Mädchen später in der Ehe so viel „Weisheit“ anwenden könnten, dass sie der „Konversation“ mit ihrem Herrn Gemahl folgen könnten. Die Erkenntnis, dass Mädchen/Frauen allein durch das geringere Volumen des Gehirns „von schwächerem Verstande“ seien, wurde um die Jahrhundertwende allgemein verbreitet und durch den bekannten Neurologen Paul Julius Möbius in einem Bestseller (Über den Psychologischen Schwachsinn der Weiber 1900) „wissenschaftlich“ (!!!) untermauert.

Deshalb durften Jungengymnasien mit Fug und Recht lateinische Zitate über ihrer Eingangstür tragen, z.B. Carl-Humann, Steele: „Musis-Patriae-Deo“. Mädchenschulen dagegen, deren Benutzerinnen ohne Latein aufwuchsen und deswegen als „Latein-lose Gesichter“ geschmäht wurden, trugen bestenfalls alle deutsche Zitate. So eben auch die erste Essener Höhere Töchterschule, die ihr endgültiges Quartier 1906 in dem Schulgebäude am Bismarckplatz fand. Ihr Motto lautet bis heute „Heilig ist die Jugendzeit“. Die Ironie des Schicksals lässt auch hier nicht lange auf sich warten: die Refrain-Zeile stammt aus dem Gedicht „Der Gesang der Jünglinge“ (!). Die Jünglinge sind sichtbar: sie stehen jeweils zu dritt rechts und links vom Tor. Sie repräsentieren die Schulzeit als heilige Zeit, in der bei frohem Tun mit Singen und Spiel das Leben vorbereitet wird. Das dazugehörige Gedicht stammt von Ludwig Uhland, dessen Gedichte und Balladen als selbstverständliches literarisches Gut damals in den Lehrbüchern vertreten waren.

Als auch an diesen Standort die Nachfrage immer größer wurde entschloss sich die Stadtverordnetenversammlung eine weitere Höhere Töchterschule zu gründen: sie entstand 1912 ff an der Kurfürstenstraße. Architekt war der Essener Baurat Albert Erbe (1868/1922), der zuvor bereits segensreich in Hamburg für die dortigen Schulen tätig war. In Essen hatte er schon die altkatholische Friedenskirche erbaut.

Nun, da es zwei Höhere Töchterschulen gibt, entschließt man sich sie durch unterschiedliche Namen auseinander zu halten. Die ältere Schule am Bismarckplatz erhält den Namen Luisenschule nach der beliebten preußischen Königin (†1810), der Mutter der Könige Friedrich Wilhelms IV. und Wilhelms I., der 1871 Deutscher Kaiser wurde. Die andere Schule an der Kurfürstenstraße wird nach dem im Hause Hohenzollern an vornehmener Stelle gebräuchlichen Vornamen benannt, dem Namen „Viktoria“. So heißt die Mutter des regierenden Kaisers Wilhemls II., die eine Tochter der englischen Königin Viktoria war. Auch die Tochter Wilhelms II. trug den Namen Viktoria.

Die Luisenschule war die wichtigste Alternative zur katholischen B.M.V.. Deshalb ist nicht verwunderlich, dass sie besonders bei evangelischen und jüdischen Schülerinnen nachgefragt wurde. Beispielhaft für die Lehrerschaft sei Frau Nelli Neumann herausgehoben. Sie unterrichtete seit 1919 an der Luisenschule - mit großer Anerkennung. Trotz ihrer Konversion zum evangelischen Bekenntnis wurde Sie von den Nazis aus dem Schuldienst entlassen und später in das KZ Nimsk verfrachtet, wo sie im März 1943 ermordet wurde.