Das Bergwerk als Riesenmaschine und Repräsentationsbau (1932–1986)
„Schönste Zeche der Welt“, „Wunderwerk der Technik“, „Kathedrale der Industriekultur“ – Zollverein war schon immer ein Ort der Superlative. Von Zollverein aus wurde deutsche Industrie- und Wirtschaftsgeschichte geschrieben: Das Bergwerk galt als das größte und leistungsfähigste weltweit. Als sich am 1. Februar 1932 zum ersten Mal die Räder am Fördergerüst über der neuen Schachthalle XII drehten, ging ein industrieller Hochleistungskomplex mit weitgehend automatisierten Arbeitsabläufen in Betrieb, der sich an dem Prinzip des aus Amerika importierten Fordismus orientierte – also der Fließbandproduktion.
1972 erreichte Schacht XII seine endgültige Tiefe von circa 1.000 Metern. Tag für Tag wurden mehr als 23.000 Tonnen Rohkohle ans Tageslicht geholt – eine Förderleistung, die der vierfachen Menge einer durchschnittlichen Revierzeche entsprach. Während der gesamten Betriebszeit wurden zwischen 1851 und 1986 insgesamt 240 Mio. Tonnen Kohle abgebaut. Über und unter Tage waren bis zu 8.000 Bergleute im Schichtwechsel beschäftigt, insgesamt haben bis zur Schließung der Zeche Zollverein 1986 mehr als 600.000 Menschen auf Zollverein gearbeitet.
Mit der Gestaltung des Zechenkomplexes waren Fritz Schupp (1896–1974) und Martin Kremmer (1894–1945) beauftragt worden. Die beiden jungen Architekten hatten bereits Erfahrungen mit dem Industriebau im Ruhrgebiet. Doch dieser Auftrag war eine besondere Herausforderung: Zum ersten Mal sollte mit dem neuen Zollverein Schacht XII eine komplett durchrationalisierte Schachtanlage entstehen. Das Ergebnis galt von Beginn an als technisches und ästhetisches Meisterwerk der Moderne, für dessen Realisierung Ingenieure und Architekten eng zusammenarbeiteten. Zudem war mit Zollverein eine Musterzeche entstanden, die dem Repräsentationsbedürfnis der Eigentümer Vereinigte Stahlwerke AG Rechnung trug und von Beginn an in der Fachwelt für große Aufmerksamkeit sorgte. Die Architekten formulierten diesen Anspruch im Jahr 1929: „Wir müssen erkennen, dass die Industrie mit ihren gewaltigen Bauten nicht mehr ein störendes Glied in unserem Stadtbild und in der Landschaft ist, sondern ein Symbol der Arbeit, ein Denkmal der Stadt, das jeder Bürger mit wenigstens ebenso großem Stolz dem Fremden zeigen soll, wie seine öffentlichen Gebäude.“
Die Kokerei Zollverein (1961–1993)
Im gleichen Stil wurde 1957 bis 1961 – ebenfalls nach Plänen von Fritz Schupp – die Kokerei Zollverein westlich von Schacht XII gebaut und am 12. September 1961 in Betrieb genommen. Auch die Kokerei schuf Produktionskapazitäten der Superlative. Nach ihrer Erweiterung in den 1970er Jahren wurden auf der „schwarzen Seite“ in 304 Öfen bei 1.250 Grad täglich 10.000 Tonnen Kohle zu 8.600 Tonnen Koks „gebacken“. Die dabei entstehenden Gase wurden auf der „weißen Seite“ zu Ammoniak, Rohbenzol und Teer weiterverarbeitet. In Spitzenzeiten hatte die Kokerei 1.000 Mitarbeiter. Als letzte noch aktive Zollverein-Produktionsanlage wurde sie 1993 stillgelegt.